Hetzleser Berg (KopfeichenLand)



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Jana Wiehn
   
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Kopfweiden sind vielen Menschen ein Begriff. Dass es aber auch Kopfeichen gibt, wissen nur wenige. In ganz Bayern, sogar bundesweit,  ist diese alte Nutzungsform ausgesprochen selten. Rund um den Hetzleser Berg im Landkreis Forchheim gibt es noch mehr als 1000 dieser mächtigen Bäume.

Die Eichenrinde der Äste, die früher regelmäßig auf „Kopf“ zurückgeschnitten wurden diente der Ledergerbung, das Holz als Brennstoff. Durch den Rückschnitt entstand die typische Kopfform. Nach dem Krieg wurde diese Nutzung nach und nach aufgegeben, da chemische Gerbstoffe die Eichenrinde ersetzten. Zur Blütezeit der Textilindustrie im Regnitzgebiet mit Firmen wie Weber & Ott in Forchheim oder ErBa in Erlangen war der Bedarf an gegerbtem Leder hoch. Viele mechanische Verbindungen wie z. B. an Webstühlen wurden von Lederteilen gehalten, man rechnete eine halbe Rindshaut pro Monat pro Webstuhl. Dies zeigt auf warum sich die Nutzung von Kopfeichen im Gebiet um den Hetzleser Berg zentriert.

Mulmhöhlen, Totholz und xylobionte Käfer – Biodiversität an Kopfeichen am Beispiel der holzbewohnenden Käfer

Es sind für die Kopfeichen und die umliegenden Streuobstbestände bisher 245 xylobionte Käferarten dokumentiert. Für die Kopfeichen ergeben sich 191 xylobionte Käferarten, die exklusiv oder schwerpunktmäßig in Eiche auftreten. Insgesamt sind 80 gefährdetet xylobionte Käferarten (Rote-Liste-Arten) dokumentiert, davon für die Kopfeichen 68 Arten der Roten Liste Deutschland 2011 bzw. Bayern 2003, die exklusiv oder schwerpunktmäßig in Eiche auftreten. Vom Gesamtdatensatz sind 32,7% und vom Kopfeichen-Datensatz sogar 35,8% der Arten auf der Roten Liste, ein drastisches Ergebnis, das die artenschutzfachliche Wertigkeit der Solitärbaumbestände und insbesondere der Kopfeichen unterstreicht. Es finden sich dort insgesamt sieben vom Aussterben bedrohte, 24 stark gefährdete und 37 gefährdete Arten nach RL Bayern (Summe 68 Arten) bzw. drei, acht, 23 und drei Arten mit anzunehmender Gefährdung (G) nach RL Deutschland Stand 2011/2016 (Summe 38 Arten). Es sind also besonders hohe Anteile von Arten mit hoher Gefährdungskategorie festzustellen.     

Die Mehrzahl der gefährdeten Arten ist bayern- wie bundesweit nur sehr lückig bis sporadisch verbreitet. Für einige Arten liegen aus Bayern aus den letzten 50 Jahren nur wenige Nachweise vor. Das starke Vorkommen des Eremiten Osmoderma eremita und des Marmorierten Rosenkäfers Protaetia lugubris zeichnen die Solitärbaumbestände des Hetzleser Berges besonders aus. Die hohen Anteile wertgebender und gefährdeter Arten im Gesamtartenspektrum (80 Arten) und insbesondere in den Kopfeichen (35,8% RL-Arten) sind von bayernweiter Bedeutung, der Hetzleser Berg ist ein hotspot der Xylobiontendiversität in Bayern.

Die Anteile der einzelnen Substratgilden (Schmidl & Bussler 2004 ) in den Kopfeichen zeigen im Vergleich mit Artenspektren aus normalen Laubwäldern der Region erhöhte Werte bei den Mulmhöhlenbesiedlern und den Sonderbiologien, die zumeist ebenfalls Vermorschungen und Mulmhöhlen als Habitat haben. Der Vergleich zwischen Rote-Liste-Arten (BY2003) und Gesamtartenspektrum hinsichtlich der Gildenanteile zeigt, dass sich die gefährdeten Arten in erhöhten Anteilen aus den Gilden Mulmhöhlenbesiedler (7,3% ges. -> 19,1% RL) und Sonderbiologien (5,2% ges. -> 7,5% RL) rekrutieren, was auf die besondere artenschutzfachliche Bedeutung der Mulmhöhlen und anbrüchigen Stämme der Kopfeichen hinweist. Über ein Viertel aller gefährdeten Arten (26,6%, 18 Arten) lebt in diesen Totholzstrukturen, die somit Zielgrößen für die weitere Entwicklung der Kopfeichen am Hetzleser Berg sind.

Insgesamt konnten sechs Urwaldreliktarten (Müller et al. 2006) nachgewiesen werden, was auf die „megatree continuity“, also die Standort- und Faunentradition vor Ort belegt. Alle diese Arten sind Mulmhöhlenbesiedler.

Drei Arten der FFH-Anhänge (Arten Europäische Union 1992), also auf europäischer Ebene geschützte Arten, sind am Hetzleser Berg zu finden. Der Hirschkäfer Lucanus cervus L., 1758 wird nur noch selten beobachten, er weist erhebliche Bestandseinbußen auf. Der Eremit Osmoderma eremita (Scopoli, 1763) (Juchtenkäfer), ein mattschwarzer, bis 3 cm großer Blatthornkäfer, ist dagegen am Hetzles noch häufig. Seine Larve lebt und entwickelt sich in den geschützten Mulmhöhlen der alten Kopfeichen. Ein sicheres Zeichen für ihre Anwesenheit ist das Vorkommen von sogenannten Kot-Pellets bestimmter Größe. Bis aus der engerlingähnlichen Larve der Käfer entsteht, vergehen bis zu vier Jahre. Der Eremit bildet am Hetzleser Berg sein oberfrankenweit größtes Vorkommen, neben der Population im Bamberger Hain (siehe Schmidl, 2012). Ihm gilt eine Hauptaufmerksamkeit des Projektes. Eine weitere Art, der Eichenheldbock Cerambyx cerdo L., 1758, liegt als subrezenter Nachweis in Form von Mumien aus dem Inneren von Mulmhöhlenbäumen vor, die Art ist im Untersuchungsraum aber inzwischen wohl ausgestorben.

In Anbetracht des bisher festgestellten Artenspektrums und der Ausstattung mit hochwertigen Altbäumen mit Biotoptradition (megatrees continuity) ist das Gebiet als einer der qualitativ hochwertigsten Lebensräume für xylobionte Insekten in Bayern einzustufen. 

Schlüsselstrukturen und Maßnahmen für den Schutz der Biodiversität in den Kopfeichen

Hinsichtlich der Biodiversität ist vor allem die Sicherung und Weiterentwicklung der holzbewohnenden (xylobionten) Käferfauna der Kopfeichen mit ihren FFH-Arten Eremit und Hirschkäfer (und möglicherweise auch wieder des Eichenheldbocks) sowie der syntop vorkommenden xylobionten Lebensgemeinschaften der wichtigste Aspekt zum Erhalt der Kopfeichen und der sie umgebenden Streuobstbestände. Ein herausragendes Strukturmerkmal und zugleich wertvollste Biotopstruktur der Kopfeichen sind die Mulmhöhlen, in der ein Großteil der gefährdeten xylobionten Käferarten, die FFH-Art Eremit sowie zahlreiche andere Tierarten wie Kleinsäuger, Vögel etc. leben oder brüten. Mulmhöhlen stellen Reifestrukturen dar, die in der Regel nur in der Alters- und Zerfallsphase von Bäumen auftreten. Unter den xylobionten Käfern weisen die mulmhöhlenbesiedelnden Arten den bayern- und deutschlandweit höchsten Gefährdungsgrad auf. Von den 72 Arten sind ca. 80% in einer Rote-Liste-Kategorie der aktuellen RL Bayern (Schmidl et al. 2003) eingestuft. Dies reflektiert die Seltenheit und Situation der Altbäume mit Mulmhöhlen in Bayern, von denen die Eiche mit Abstand die wichtigste Baumart stellt.

Bemerkenswert am Hetzleser Berg ist in diesem Zusammenhang auch die enge Verzahnung der Kopfeichen mit Streuobstbeständen, in denen hohe Anteile der Kirsche zu finden sind. Das absterbende oder anbrüchige Kirschholz neigt zu Braunfäule (während der Apfelbaum in der Regel von Weißfäulepilzen zersetzt wird) und zeigt in seinem Artenspektrum eine hohe Übereinstimmung und Wechselwirkung mit den xylobionten Käferarten der Eiche, möglicherweise ein bedeutender zusätzlicher Aspekt für die Artenvielfalt vor Ort.

Durch die über Jahrhunderte währende Tradition und Kontinuität ihrer Nutzungsart ist mit den Kopfeichen (und den damit vernetzten Streuobstbeständen) und ihren Mulmhöhlen ein einmaliges Natur- und Kulturdenkmal gleichermaßen entstanden, eine Arche Noah für Tiere, die in unseren modernen Wirtschaftswäldern am Verschwinden sind.




Die zum Teil Jahrhunderte alten Bäume weisen hohe Totzholzanteile, Faulstellen und Höhlen auf, die für viele Insekten, aber auch höhlenbrütende Vogelarten und Fledermäuse Lebensraum bieten. Im morschen Holz (Mulm) leben zum Beispiel viele seltene Käfer, darunter EU-weit gefährdete Arten wie der Eremit oder der Hirschkäfer. Die Kopfeichen am Hetzleser Berg beherbergen die größte Eremitenpopulation in Bayern. Bis zu 245 xylobionte Käfer und viele weitere Insekten- und Schmetterlingsarten nutzen die Eichen als Lebensraum, genauso wie Spechte, Siebenschläfer und zahlreichen weitere Vogel- und Tierarten. Mehrere hundert Jahre alte Bäume im Waldbestand sind durch die Waldnutzung selten geworden und dadurch auch der Lebensraum der Fauna, die auf Altbäume und die oben genannten Strukturen angewiesen sind, deswegen sind die Kopfeichen, weil sie auch noch so gehäuft auftreten, ein wichtiger Landschaftsbestandteil und Habitatbaum.

Eines der Ziele des Naturschutzprojektes, das vom Bayerischen Naturschutzfonds gefördert wird, ist deshalb der Erhalt der Kopfeichen als Zeugen einer alten Nutzungsform sowie als wichtiger Lebensraum für holzbewohnende Käfer.

Da die Austriebe im Lauf der Zeit immer schwerer werden, drohen die Bäume auseinander zu brechen. Ein turnusmäßiger Rückschnitt ist deshalb wichtig. Der Landschaftspflegeverband will die Eigentümer der Bäume bei diesen Pflegemaßnahmen, die natürlich freiwillig sind, unterstützen.



Das Projekt dient aber auch dem Erhalt der großartigen Kulturlandschaft am Westrand des Hetzles mit ihren Bächen, Streuobstwiesen und Hecken. Für die Einheimischen soll so ein Teil ihrer Heimat bewahrt werden, für die Bewohner der nahen Großstädte soll die überaus reichstrukturierte Landschaft der Erholung dienen.

Das Alleinstellungsmerkmal dieses Gebietes in Deutschland gilt es besonders zu erwähnen, die Häufung vieler alter Kopfeichen in einem Gebiet in der direkten Vernetzung mit Hecken, Streuobstwiesen, blütenreichen Mähwiesen in einer kleinräumigen Landschaft, sind der ideale Lebensraum für eine vielfältige Fauna und Flora. Aber auch der kulturhistorische Aspekt ist nicht zu vernachlässigen, bildete doch die Nutzung der Kopfeichen die Basis für einen ganzen Industriezweig in der Region.

Das Projekt „Kultur- und Naturlandschaft mit Kopfeichen am Hetzleser Berg“ wird gefördert über den Bayerischen Naturschutzfonds aus Zweckerträgen der GlücksSpirale.

[Zur neuen Abschlussbroschüre Kopfeichenland]

[Zur Broschüre "Kopfeichen am Hetzleser Berg"]

[Xylobionte Käfer in den historischen Kopfeichen am Hetzleser Berg]

[Dreijahres-Monitoring von Brutbäumen (Kopfeichen) des Eremiten am Hetzleser Berg]

[Auszeichnung UN-Dekade "Biologische Vielfalt" 2018]